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Prokrastination

Rebecca Siwon • 1. Mai 2015

Was du Morgen kannst besorgen, …
… das verschiebe doch lieber auf heute

Erwischt! Welchen Aufgaben entgehen Sie gerade, indem Sie diesen Artikel lesen? Es ist ja nicht so, dass Sie nichts Sinnvolles machen. Nur erledigen Sie eben nicht Ihre dringendste Aufgabe. Wie wir uns das Leben oft unnötig schwer machen, indem wir Aufgaben irrational aufschieben, welche Folgen das für uns haben kann und vor allem wie wir dem entgegen wirken können, möchte ich Ihnen im Folgenden näher bringen.

Weitere Tipps: Fordern Sie unsere Tipps zum Thema per Email mit dem Stichwort „Prokrastination“ an: info@siwon-consulting.de.

Menschen verhalten sich nicht so rational, wie es Entscheidungs- und Spieltheoretiker oft annehmen. Wir verhalten uns nicht einmal so rational wie wir es von uns selbst glauben. Einer der vielen Wege, wie wir uns selbst beschummeln ist das, was Experten Prokrastination nennen. Der Begriff beschreibt das irrationale Aufschieben einer geplanten Tätigkeit. Es gibt keine äußeren Umstände, die uns von der Aufgabe abhalten. Prokrastination hat auch keinen funktionalen Aspekt, wie das Warten auf neue Ressourcen oder das gezielte Nehmen von Auszeiten, um den Kopf für die bevorstehende Aufgabe frei zu haben. Wer prokrastiniert, hat die Mittel und Möglichkeit, eine Aufgabe zu beginnen, aber schiebt sie dennoch vor sich her, bekommt ein schlechtes Gewissen und fühlt sich damit unwohl. Hinzu kommt die Sorge, die Aufgabe nicht (mehr) bewältigen zu können. Studien ergaben, dass Angst und Sorge eng mit Prokrastination zusammenhängen. Auch ein erhöhter psychischer Leidensdruck und gesteigertes Stresserleben, sowie Burnout und Depression stehen in Zusammenhang mit Prokrastination.
Wie schnell Prokrastination zu einem Teufelskreis aus Sorgen und immer weiterem Aufschieben führt, konnte ich vor kurzem selbst erfahren. Ich hatte ein großes Projekt vor mir, das für meine berufliche Karriere entscheidend war. Jeden Tag nahm ich mir fest vor, es so bald wie möglich in Angriff zu nehmen. Allerdings vielen mir jeden Morgen etliche, oft banale Aufgaben ein, die ich erledigte. Hierzu gehörten der Wohnungsputz, Mails abarbeiten und andere kleinere Aufgaben in der Arbeit. Das Projekt geisterte die ganze Zeit in meinem Hinterkopf herum. Der Leidensdruck sorgte dafür, dass ich mir aus schlechtem Gewissen kaum Freizeitaktivitäten gönnte, die mein Stressempfinden sicherlich gemildert hätten. Dennoch prokrastinierte ich aus Angst, bei meinem Projekt zu scheitern, „munter“ weiter und lenkte mich durch die „unwichtigen“ Tätigkeiten ab.
Warum prokrastinieren wir eigentlich, wo es doch einen Leidensdruck erzeugt?
Ein Grund ist, dass manche Personen gerne unter dem Druck der sich nähernden Deadline stehen. So erhalten sie einen „Kick“ durch das Risiko oder sie können es schaffen, „Flow“-Zustände von äußerster Produktivität und Konzentration zu erreichen, die Glücksgefühle und Zufriedenheit auslösen. Allerdings ist das Eintreten der Flow-Erlebnisse nicht immer gegeben. Schnell wachsen Aufgaben über den Kopf, es kommen unerwartete Zusatzaufgaben hinzu, oder der Arbeitsaufwand wird unterschätzt. Wird der Druck zu groß, macht es das immer schwerer, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren. Eine weitere Ursache für Prokrastination ist, wie schon im Beispiel erwähnt, die Angst zu scheitern. Diese sorgt dafür, dass man oft erst gar nicht beginnt. Wir leben oft in dem Glauben, dass es besser ist, gar nichts zu tun. So schützt man sich vor Fehlern. Handeln bedeutet außerdem, auch Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen. Die Angst zu scheitern ist, einer Umfrage bei StudentInnen zufolge, vor allem bei Frauen ein häufiger Grund für Prokrastination. Männliche Studenten beschrieben eher Rebellion gegen Kontrolle und Risikosuche als Gründe. Insgesamt neigen Männer eher zu Prokrastination als Frauen, außerdem betrifft das Phänomen vor allem „white-collar worker“.
Der typische Prokrastinierer ist eher jung, ledig, männlich und lebt in einem Land, in dem Selbstdisziplin von geringer Bedeutung ist. Zudem ist Prokrastination als Persönlichkeitseigenschaft unter anderem eng mit Gewissenhaftigkeit, Selbstvertrauen, Impulsivität und Perfektionismus verbunden. Nun muss ich allerdings diejenigen, die ihre Gene oder die ihrer Mitarbeiter als Ausrede benutzen möchten, enttäuschen. Persönlichkeit ist nur einer von vielen Faktoren, die Prokrastination bedingen. Es ist möglich, Aufgaben so zu gestalten, dass sie entweder Prokrastination oder Produktivität fördern. Wer dazu neigt, Aufgaben aufzuschieben, kann lernen sich selbst zu überlisten.
Ein relevantes Charakteristikum einer Aufgabe ist der Zeitraum, in dem sie erledigt werden muss. Die Tendenz, etwas aufzuschieben steigt, je mehr Zeit wir für die Aufgabe haben. Das kann sogar bei Tätigkeiten der Fall sein, die wir gerne machen. Schenken Sie einer Person einen Gutschein, z.B. für eine tolle Reise, den sie innerhalb von einem Monat einlösen muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Reise antritt ist deutlich höher, wenn Sie ein Zeitlimit festlegen.
Auch die zeitliche Abfolge von Belohnungen und Bestrafungen spielt eine entscheidende Rolle. Wir ziehen eine kleine, unmittelbare Belohnung einer größeren vor, oder nehmen für diese sogar langfristige Schäden in Kauf (liebe Raucher, Sie dürfen sich angesprochen fühlen!). Der Erfolg der schnell abgearbeiteten Mails wird dem stundenlangen formulieren eines Artikels vorgezogen. Eine weitere Eigenschaft prokrastinierter Aufgaben liegt auf der Hand: sie sind unliebsam und uninteressant. Macht eine Aufgabe keinen Spaß, wird sie aufgeschoben oder vermieden. Das klingt banal, ist aber ein wichtiger Punkt, um Prokrastination entgegen zu wirken.
Ich fasse zusammen, was Sie auf keinen Fall tun sollten: einer Person, die Angst vor Versagen hat oder den Wettlauf gegen die Zeit liebt und schon die ersten Anzeichen von Burnout zeigt, eine unliebsame, sehr umfangreiche Aufgabe auftragen, die sie irgendwann in der nächsten Zeit erledigen soll.
Was können wir also tun, um Prokrastination zu verhindern?
In der Regel ist es hilfreich, sich an außenstehende Experten zu wenden, da wir selbst oft zu sehr in unseren Gewohnheiten gefangen sind, um sie selbständig zu ändern. Allerdings gibt es auch praktische Tipps, die Sie bereits sofort anwenden können. Gerne senden wir Ihnen diese Tipps zu. Senden Sie uns, falls Sie Interesse haben eine Email mit dem Stichwort „Prokrastination“ an info@siwon-consulting.de
Falls Sie jetzt auch von sich die ein- oder andere Situation erkannt haben, in der Sie zu Prokrastination neigen, kann ich Ihnen Mut machen. Ein Verhalten bei sich zu erkennen ist die Voraussetzung dafür, es ändern zu können. Auf zu neuen Taten!

Veröffentlicht unter: 
https://www.elektronikpraxis.vogel.de/was-du-morgen-kannst-besorgen-das-verschiebe-doch-lieber-auf-heute-a-517356/
https://www.systemisches-projektmanagement.info/prokrastination/

Veröffentlichungen

von Rebecca Siwon 1. November 2019
Selbst wenn ein großer Veränderungsbedarf im Unternehmen erkannt wurde, passiert oft nichts. Warum die Umsetzung von Veränderungen häufig so schwer fällt, lässt sich durch verschiedene psychologische Phänomene, wie Pluralistic Ingnorance, erklären. Doch wie schaffen Sie es, diese Mechanismen zu überwinden und Ihr Handeln bzw. das Handeln zahlreicher Beschäftigter eines Unternehmens zu ändern? Anhand des ADKAR-Modells (Hiat, 2006) und Beispielen aus meiner praktischen Erfahrung stelle ich in diesem Beitrag Lösungen vor, um von der Erkenntnis zur Handlung zu gelangen. Zudem gehe ich auf den Umgang mit Widerständen in Veränderungsprozessen ein. Wenn ich meine Kunden frage, wie hoch sie den Veränderungsbedarf in ihrem Unternehmen auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen, erhalte ich oft die Antwort 7 oder 8. Wenn ich dagegen nach der Veränderungsfähigkeit frage, liegt die Einschätzung selten über 5 oder 6. Wie kommt es zu dieser Differenz? Oft macht einfach keiner den ersten Schritt, auch wenn klar scheint, was zu tun wäre. In anderen Fällen wurden schon einige Veränderungsmaßnahmen unternommen, die aber im Sande verliefen. Ersteres ist unter anderem mit einem psychologischen Phänomen zu erklären, der sogenannten Pluralistic Ignorance. Dieses beschreibt, dass Personen sich in Situationen, in denen große Unsicherheit herrscht, an ihren Mitmenschen orientieren. Anhand der Reaktionen der Mitmenschen versuchen sie herauszufinden, wie sie sich verhalten sollten. Das Problem dabei ist, dass nichts passiert, wenn jeder darauf wartet, dass andere handeln. So verhält sich eine gesamte Gruppe wie erstarrt, obwohl allen bewusst ist, dass eine Handlung nötig ist. Allgemein gilt, dass wir vor Allem in Situationen großer Unsicherheit, Ungewissheit oder Mehrdeutigkeit geneigt sind abzuwarten und zu sehen was andere tun, statt selbst zu handeln. Eine weitere mögliche Ursache ist die Verantwortungsdiffusion. Je mehr Personen für die Veränderung verantwortlich sind, desto stärker wird der subjektive Eindruck, dass jeder einzelne nur einen sehr kleinen Teil dieser Verantwortung trägt. Des weiteren unterliegen wir oft dem Glauben, dass wir nur für unsere Entscheidungen und Handlungen verantwortlich sind. Jedoch sind wir ebenfalls für die Konsequenzen der Vermeidung von Entscheidungen und Folgen unseres Nichthandelns verantwortlich. Eine Entscheidung birgt immer das Risiko einer Fehlentscheidung, eine Handlung birgt das Risiko eines Fehlers. Diese sind sichtbar und können auf Personen zurückgeführt werden – was wiederum die Suche nach dem Sündenbock bei einem gescheiterten Projekt sehr erleichtern kann. So nehmen Projektbeteiligte oft lieber den Projekttod durch unterlassene Hilfeleistung in Kauf und hoffen, dass wir keine Spuren am Tatort hinterlassen haben (besser etwas mehr Sicherheitsabstand!). Je nach Unternehmen werden diese Verhaltensweisen durch eine entsprechende Fehlerkultur gefördert. Doch was kann man machen, um Veränderungsprozesse trotz Pluralistic Ignorance, Verantwortungsdiffusion, Angst vor Fehlentscheidungen und anderer Stolpersteine des Projektalltags erfolgreich durchzuführen? Einige Lösungen veranschauliche ich Ihnen anhand des ADKAR Modells. Dieses bietet eine Möglichkeit, Veränderungsprozesse zu gestalten, gibt Ihnen die Möglichkeit zur Selbstevaluation und liefert Lösungen für die oben angesprochenen Probleme. Dabei ist das Modell in folgende Schritte gegliedert: 1. Aufmerksamkeit/Bewusstsein (awareness) 2. Veränderungsbedürfnis (desire) 3. Wissen (knowledge) 4. Fähigkeit (ability) 5. Verstärkung (reinforcement) Aufmerksamkeit auf ein Thema und Einsicht des Veränderungsbedarfes sind Voraussetzungen für ein Veränderungsbedürfnis. Zudem haben Sie im ersten Schritt die Möglichkeit zu kommunizieren, dass Sie ein Ziel und einen Plan zu dessen Erreichung haben. So senken Sie das Gefühl von Ungewissheit und damit wirken Sie der Pluralistic Ignorance entgegen. Wenn es Ihnen im zweiten Schritt gelingt, ein hohes Veränderungsbedürfnis und individuelles Committment zu wecken, können Sie dadurch bereits der Verantwortungsdiffusion entgegenwirken. Durch Wissen, wie man zum Veränderungsprozess beitragen kann (Schritt 3) und die Fähigkeit bzw. die geeigneten Rahmenbedingungen, um dieses Wissen anzuwenden (Schritt 4), reduzieren Sie Unsicherheit. Damit senken Sie wiederum erneut die Wahrscheinlichkeit für Pluralistic Ignorance. Zudem ermutigen Sie durch die richtigen Rahmenbedingungen das Treffen von Entscheidungen, z.B. indem Sie Fehlentscheidungen nicht verurteilen. Wenn sich durch positive Verstärkung (Schritt 5) das gewünschte Verhalten verstetigt und erste Erfolge gefeiert werden, ist die Suche nach einem Sündenbock obsolet. In vielen Unternehmen läuft ein Veränderungsprozess ähnlich ab wie im folgenden Beispiel: Die Bleibgleich GmbH kämpft mit sinkenden Auftragszahlen. Die Kritik der Kunden macht deutlich, dass es bei Bleibgleich an Kundenorientierung mangelt. Über Jahre gab es kaum Konkurrenz auf dem Markt, daher kauften die Kunden trotzdem. Dies änderte sich vor einigen Jahren und nun schwankt die Position von Bleibgleich als Marktführer. Dem Management ist das Problem bewusst und nun sollen auch die Mitarbeitenden erfahren, dass hier großer Veränderungsbedarf besteht. In einer groß angelegten Kommunikationskampagne wird Bewusstsein für das Thema geschaffen. Anschließend werden verpflichtende Trainings für alle Beschäftigten durchgeführt. Im nächsten Schritt wird die Kundenzufriedenheit evaluiert und Mitarbeitende mit besonders hoher Kundenzufriedenheit erhalten eine Auszeichnung. Trotz der gut durchgeführten Maßnahmen ändert sich die Kundenorientierung nicht wie gewünscht. In diesem Beispiel wurden die Schritte 1 (Aufmerksamkeit), 3 (Wissen) und 5 (Verstärkung) durchgeführt. Wenn Schritt 2 (Veränderungsbedürfnis) allerdings übersprungen wird, zeigen Führungskräfte und Mitarbeitende oftmals nur ein geringes Interesse an Trainings und es besteht kaum Motivation, das Gelernte umzusetzen. Denn neue Verhaltensweisen zu erlernen ist mit erheblichem kognitivem und zeitlichem Aufwand verbunden. Das erfordert Geduld, Motivation und eine hohe Frustrationstoleranz. Wenn Führungskräfte und Mitarbeitende also nicht tatsächlich den Willen haben, ihr Verhalten zu ändern, werden sie so lange wie irgend möglich Widerstand leisten und ihre bisherigen Verhaltensweisen beibehalten. Nicht selten werden Gründe zur Ablehnung der Veränderung gesucht. Im Flurfunk wird „Stimmung“ gegen konkrete Maßnahmen gemacht („Ja klar, Kundenzufriedenheit ist wichtig, aber der Satz, den ich jetzt immer fragen soll, der ändert da doch nichts.“, „Meine Kunden haben sich nie beschwert!“). Oft wird an dieser Stelle mit einem Resistance Management begonnen, das sich dem Umgang mit Widerständen widmet und auf diese reagiert. Das bringt Führungskräfte in eine Spirale reaktiver Handlungen, die eher Brandbekämpfung und Schadensbegrenzung gleichen, als Change Management. Betrachten Sie Ihre Aufgabe anstelle von „Umgang mit Widerständen“ besser als „Erzeugung eines Veränderungsbedürfnisses“. Im ADKAR Modell werden vier Faktoren beschrieben, die zum individuellen Veränderungsbedürfnis beitragen: 1. Art der Veränderung  um welche Veränderung handelt es sich, wie wirkt sie sich auf die Personen im Unternehmen aus, welchen Vorteil haben Personen, wenn sie die Veränderung tragen („Was habe ich davon?“) 2. Betrieblicher und umgebungsbedingter Kontext  wie wird die Organisation wahrgenommen? Tragen Organisationskultur und Strategie zur Veränderung bei? Wie sind bisherige Veränderungsprozesse verlaufen? 3. Persönliche Situation  Werden durch die Veränderung persönliche Bedürfnisse bedroht? Welche Zusammenhänge bestehen zu finanzieller Sicherheit, Alter, Gesundheit, Arbeitsbelastung oder Karrierezielen? 4. Motivatoren  Was motiviert Personen im Unternehmen persönlich? Gehen Führungskräfte und Mitarbeitende davon aus, dass sie erfolgreich sein werden und die Veränderungen umsetzen können? Die Analyse dieser Faktoren ergibt in jedem Unternehmen ein sehr individuelles Bild. Dementsprechend sollten Sie Ihre Maßnahmen auch individuell gestalten und anpassen. Es gibt allerdings ein paar Anhaltspunkte, die in jedem Fall hilfreich sind. Zunächst ist es wichtig, dass die Veränderung von „oben“ unterstützt und getragen wird. In vielen Veränderungsprozessen zeigen Geschäftsführung und Management anfangs große Unterstützung und wechseln Ihre Prioritäten nach der ersten Phase (Aufmerksamkeit). Damit senden sie die Botschaft, dass man das Thema aussitzen könne und eine aktive Beteiligung nicht nötig sei. Die Geschäftsführung sollte daher immer wieder bei Maßnahmen einbezogen werden. So erhalten auch Führungskräfte Rückendeckung. Denn diese werden eine wichtige Rolle spielen. Mitarbeitende richten sich im Arbeitsalltag eher nach ihren direkten Vorgesetzten als nach der Strategie der Geschäftsführung. Daher ist es wichtig, Führungskräfte nicht nur von den Veränderungen zu überzeugen. Sie sollten auch in der Lage sein, Committment durch ihr Verhalten auszudrücken und effektive Gespräche über die Veränderung auf Gruppen- und individuellem Level zu führen. „Action Learning“, ist an dieser Stelle eine effektive Methode. Hier setzen sich Führungskräfte selbstgesteuert in Kleingruppen mit dem Thema auseinander, überlegen, was die Veränderungen für sie konkret bedeuten und wie sie sich am besten daran beteiligen können. Die Beteiligten lernen von Ihren Kollegen sinnvolle Strategien und entwickeln gemeinsam Möglichkeiten, um bei ihren Mitarbeitenden ein Veränderungsbedürfnis zu wecken. Durch die aktive Auseinandersetzung mit der Veränderung wird Committment bei Führungskräften erzeugt und sie werden zu „Change Leaders“. Außerdem werden die Führungskräfte hier in den Veränderungsprozess eingebunden, können selbst daran teilhaben und eigene Lösungen entwickeln. Es liegt also nun in ihrer Hand. Die Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitern ist eine weitere wichtige Möglichkeit, um das Bedürfnis zu wecken, sich selbst aktiv an der Veränderung zu beteiligen. Weitere hilfreiche Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind Change Assessments oder die Anpassung von Incentive Programmen. Bei letzteren sollten zumindest geprüft werden, ob sie für die Veränderung hinderlich sind. Beispielsweise könnte ein Anreizsystem, das die Anzahl bearbeiteter Aufträge fördert, die Umsetzung von Maßnahmen bezüglich Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit verhindern. Welche Maßnahmen Sie auch immer initiieren, nehmen Sie die Bedürfnisse und Sorgen von Kollegen, Führungskräften und Mitarbeitenden ernst. Selbst wenn Ihnen einige davon lächerlich oder unwichtig erscheinen, sind Sie für die betroffenen Personen von Bedeutung. Denn Sie wollen ja umgekehrt, dass der Veränderungsprozess ebenfalls ernst genommen wird – auch wenn er für einige Personen eventuell nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht. So erzeugen Sie gegenseitige Wertschätzung und echtes Veränderungspotenzial. Im obigen Beispiel wurde ein weiterer Schritt übersprungen: Schritt 4, „Fähigkeit“. Dieser bezieht sich auf die Fähigkeit der Mitarbeitenden, das gelernte Wissen, z.B. darüber, wie man kundenorientierter handelt, umzusetzen. Doch es steckt mehr dahinter. Denn die Fähigkeit der Mitarbeitenden hängt zu einem großen Teil von den richtigen Rahmenbedingungen ab. Neu erlernte Fähigkeiten beanspruchen zu einem großen Teil unser bewusstes, langsames Denken. Können Sie Skifahren? Haben Sie schon einmal versucht, auch Snowboarden zu lernen? Viele Skifahrer probieren es aus, doch es ist häufig zu frustrierend, den Berg deutlich langsamer mit vielen schmerzhaften Stürzen herunterzufahren. Daher wechseln zahlreiche Personen nach einem kurzen Versuch wieder zu den Skiern. In Ihrem Veränderungsprozess ist es ähnlich. Die Verlockung, zurück in alte Verhaltensweisen zu fallen, die zunächst schneller zum Ziel führen und weniger Nerven und Geduld benötigen, ist sehr groß. Folgende Faktoren können die Fähigkeit einer Person beeinflussen, Veränderungen umzusetzen: 1. Psychologische Blockaden Persönliche Erfahrungen oder Persönlichkeitseigenschaften können Verhaltensänderungen verhindern. 2. Physische Fähigkeiten Wenn durch Veränderungsprozesse viele neue Aufgaben zu den bestehenden Aufgaben hinzukommen oder sich die Aufgaben stark verändern, sind diese manchmal physisch nicht mehr zu bewältigen. 3. Intellektuelle Kapazität Die Integration von Veränderungen in den Arbeitsalltag erfordert ein hohes Maß an intellektueller Kapazität. Vor allem gut eingearbeitete Personen, die vieles automatisch machen, benötigen nun deutlich mehr intellektuelle Kapazität als gewohnt. 4. Zeit Veränderungsprozesse unterliegen oft äußeren, zeitkritischen Faktoren. Ist zu wenig Zeit verfügbar, Fähigkeiten zu erlernen und einzuüben, kann das den gesamten Prozess gefährden. 5. Ressourcen Die Verfügbarkeit von Ressourcen wie finanzieller Unterstützung, angemessenen Tools und Materialien, persönliches Coaching oder persönliche Anleitung, Zugang zu Experten und Mentoren Durch Berücksichtigung dieser Faktoren, erhalten Führungskräfte und Mitarbeitende die Möglichkeit, ihr in Schritt 3 erlangtes Wissen umzusetzen. Hier gilt zunächst: jeder Versuch ist richtig. Retrospektiven oder Reflexionen bieten die Möglichkeit, Fähigkeiten zu optimieren und dann nach und nach zu automatisieren. Die Fähigkeit ist erst dann vorhanden, wenn eine Person oder Organisation die Veränderung umsetzen kann und das angestrebte Leistungsniveau, das mit dieser Veränderung verbunden ist, erreicht hat. Bis zu diesem Punkt sollte der Status quo zu allen fünf Faktoren regelmäßig evaluiert werden und Maßnahmen ergriffen werden, die den Übergang vom reinen Wissen hin zur Handlung unterstützen. Beispiele für diese Maßnahmen sind tägliche Unterstützung durch direkte Vorgesetzte, regelmäßige Reflexionen, Zugang zu Experten (Chat, Hotline) oder auch realitätsgetreue Übungen in Trainings, in welchen die Teilnehmenden neue Handlungs- und Denkmuster gefahrlos ausprobieren und einüben können. Das Verhalten von Führungskräften bei Fehlern in der Anwendung des neu erworbenen Wissens ist ein entscheidender Faktor für die Umsetzung. Die adäquate Vorbereitung von Führungskräften auf die Herausforderung von Veränderungen ist daher besonders wichtig in diesem Schritt. Durch eine lösungsorientierte Fehlerkultur fördern Sie Entscheidungen und Handlungen, die den Veränderungsprozess begünstigen. Alles in allem ist jeder Veränderungsprozess individuell von zahlreichen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel vom Erfolg der letzten Veränderungsprozesse im Unternehmen. Das ADKAR Modell bietet einen Rahmen, um Veränderungsprozesse dennoch gezielt zu planen und zu gestalten. Zudem ermöglicht es Ihnen, die entscheidenden Faktoren für jeden Schritt in Ihrem Unternehmen zu analysieren, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Denn letztlich entscheiden die Einstellung und das Verhalten ALLER Personen im Unternehmen über den Erfolg der Veränderung. Weiterführende Literatur: Cialdini, R. B. (2011). Die Psychologie des Überzeugens. Hiatt, J. (2006). ADKAR: a model for change in business, government, and our community. Prosci. Vaughan, Graham M. & Hogg, Michael A. (2008). Introduction to social psychology (5th ed.). . Frenchs Forest, N.S.W : Pearson Education Palmer, I. C., Dunford, R., Buchanan, D. A., & Akin, Gib. (2016). Managing organizational change: a multiple perspectives approach (3rd ed.). McGraw-Hill Education.
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